Mittwoch, 20. Februar 2019

art-splitter


Für mich ist das Schönste an der art, Künstler und Galeristen zu treffen, die ich mag und schätze. Ich bin neugierig, was Neues geschaffen wurde und präsentiert wird. Es ist ein Glück, so vielen Kunstschaffenden und Kunstfördernden an einem Ort in kurzer Zeit zu begegnen und en passant wahrzunehmen, zu entdecken. Ich beginne in Halle 1 mit Elvira Bach bei der Galerie-F aus Kranenburg, die ich Anfang der 90er in Stuttgart getroffen habe und von der ein gemeinsames Werk mit meiner wunderbaren Freundin Jutta Spinner existiert.




Es folgt der Stand der Majolika mit den verführerischen Deckelvasen von Eva Schaeuble aus Karlsruhe, die letztes Jahr bei Offenburg OPEN ausgestellt hat. Sie ist wahrhaftig eine Séductrice und ich freue mich, sie persönlich anzutreffen.



Bei Rémy Bucciali aus Colmar begegne ich Arbeiten meiner Freunde Raymond E. Waydelich und Michel Cornu.


Beim Kunsthaus Lübeck, das Armin Müller-Stahl präsentiert, der Drehbuchseiten für die „Manns“ oder „Buddenbrooks“ als Zeichenunterlage benutzt, entdecke ich einen Julian Schnabel, der mir gefällt.


Dann die Circle Culture Gallery von Johann Haehling von Lanzenauer in Halle 2 mit Stefan Strumbel. Stefan ist vor Ort und ich bin begeistert von seinen aktuellen Leinwänden und Skulpturen, seiner Lust, zu überraschen, sich zu erneuern ...






 Im Vorübergehen entdecke ich Messingdraht-Arbeiten von Monika Schmid bei der Galerie claeys, deren Fragilität mir gefällt.


Wenige Meter weiter begrüßt art-Chef Ewald Schrade den Malerfürsten Markus Lüpertz.


Die Galerie Wohlhüter zeigt in Halle 2 eine enorme Skulptur von Jörg Bach, der bis eben in der Städtischen Galerie in Offenburg zu sehen war.


In Halle 3 treffe ich Jean Remlinger am Stand von Pascale Froessel. Jean ist neben Tomi Ungerer und Raymond Waydelich für mich d e r elsässische Künstler! Immer noch happy, dass er 2018 bei Offenburg OPEN ausgestellt hat.


Raymond ist bei Editions Bucciali und Zaiß vertreten, ebenso wie Marc Felten und Michel Cornu, alle drei stellten bei Offenburg OPEN 2016 aus.




Gabi Streile und Werner Schmidt treffe ich bei Tammen und entdecke dort Marion Eichmann mit ihren außergewöhnlichen Papierarbeiten.



Ich plaudere mit Peter Femfert von DIE Galerie in Frankfurt, in der ich vor 2 Jahren eine Ausstellung eröffnen durfte und die 2019 ihr 40-jähriges Bestehen feiert, treffe Jan Peter Tripp mit Ehefrau Justine, die Conservatrice des Museums Tomi Ungerer in Straßburg, Thérèse Willer, meinen Schulfreund Harding Meyer und schlendere als Baudelaires „Passante“ durch Halle 4. Ich umgehe den Hype um Leon Löwentraut bei Geuer & Geuer und lasse mich finden.


  


In der Galerie von Martina Kaiser aus Köln … schockverliebt in die Reispapier-Tusche-Arbeiten des chinesischen Künstlers Zhuang Hong Yi.
Es gibt natürlich viele prominente und teure Namen und Bilder zu sehen …
Schaut's euch an! Bis Sonntag. www.art-karlsruhe.de







  




Dienstag, 19. Februar 2019

Eine Verneigung vor Karl



Ich dachte, er sei unsterblich: Karl Lagerfeld. Der Mann, der sich immer wieder neu erfand und seiner Individualität stets treu blieb. Sein Esprit, seine Kreativität, seine Intelligenz und sein Humor beeindruckten mich bei jeder Begegnung. Karls Gedanken wirbelten noch schneller als er sprechen konnte. Der 9. März 2007 hat sich in mein Gedächtnis eingemeißelt. Früh morgens flog ich von Straßburg nach Paris. Eineinhalb Stunden benötigte das Taxi nach St. Germain, wo wir im „Café de Flore“ zum Mittagessen verabredet waren. Karl Lagerfeld empfahl mir die „Plat nordique“, er selbst begnügte sich mit Pepsi und einer halben Ananas. Er hatte gerade 40 Kilo angenommen, war stolz auf seine Jünglingsfigur und wollte sein Gewicht halten. Als ich ihm ein Foto zeigte, dass 1989 bei der Bambi-Verleihung von uns beiden aufgenommen wurde, winkte er ab: „Tu das weg! Das ist ja furchtbar!“

An diesem Nachmittag besuchten wir sein feudales Apartement im Palais Hôtel de Longueuil, das damals Philippe Pozzo di Borgo gehörte, dessen Geschichte in „Ziemlich beste Freunde“ verfilmt wurde, sowie sein Studio 7L mit Buchladen in der rue de Lille. Im wuchtigen „Hummer“ mit getönten Scheiben bewegten wir uns langsam durch das frühlingshafte Paris und ich erinnere einen Witz, den er mit großem Vergnügen erzählte: „Zwei Schwule wollen ein Baby und mieten sich eine Leihmutter. Nach neun Monaten kommen sie ins Krankenhaus und hören nur schreiende Babys. Oh Gott! Auf was haben wir uns da eingelassen? Dann, ganz hinten, entdecken sie ein ruhiges, zufriedenes, strahlendes Baby. Oh, hoffentlich ist das unseres! Ja, sagt die Schwester. Sie wollen es auf den Arm nehmen. Moment noch! Ich muss ihm nur noch das Fieberthermometer aus dem Arsch nehmen.“

In seinem Studio sprachen wir seriöser. Schließlich wollte er mir von Aenne Burda erzählen, die er 1987 in Salzburg kennengelernt hatte: „Wir waren von der ersten Sekunde an gut befreundet. Sie hatte diese Spontaenität, Vivacité, besaß Humor und Energie. Ich habe einen wilden Walzer mit ihr getanzt, sie war klein, zierlich und leicht wie eine Feder. Ich habe nie mit ihr gearbeitet, das war eine rein persönliche Beziehung, und ich fand sie wahnsinnig interessant, tausendmal jünger als junge Leute und so was liebe ich und bewundere ich. Ich werde sie immer als die Frau auf dem Höhepunkt ihrer Karriere in Moskau in Erinnerung behalten. Ob sie später kränker oder etwas dicker war, will ich gar nicht wissen. Ich behalte sie so in meinem Kopf, wie ich sie kennengelernt habe.“

Über Aennes Ausbrüche:
Ich würde so gerne auch mit Aschenbechern schmeißen, nur meine Erziehung hindert mich daran, das zu tun. Ich bewundere das. Ich kann ein Telefon an die Wand schmeißen, weil es nicht funktioniert, aber nicht auf Leute. Ich habe Menschen kennengelernt, die das auch taten und viel mittelmäßiger waren als Aenne Burda, und dann ist das nicht vergebbar. Meine Mutter, die tat das auch. Mein Vater ging ihr manchmal auf die Nerven und dann schmiss sie ihm was ins Gesicht, Brot oder so. Er war ein reizender Mann, aber wenn er anfing, moralisch zu werden, dann sagte sie: Also Otto, das geht mir jetzt wirklich zu lange! Kannst du nicht aufhören? Dann nahm sie einen Teller und schmiss ihn auf den Boden. Ich mag gerne exzessive Leute. Ich finde mich nicht exzessiv genug. Ich bin gelähmt von der humanitären Vorstellung, man soll nett zu Leuten sein.“

Über seine Anfänge in Paris 1952:
Die Französinnen waren auch nicht besser angezogen als die deutschen Frauen. Die französischen Straßen waren noch schäbiger als die deutschen. Deutschland wurde wieder aufgebaut, hier nicht mal restauriert. Frankreich war ziemlich dunkel, grau und nicht das, was man denkt. Aber es war eben Paris und die Idee, die man sich davon machte, vor allem die Ansprüche, die Poesie, die man darin sehen konnte. Ich wollte nach Paris, ich wollte mein Französisch verbessern, hier zur Schule gehen und vielleicht in der Mode arbeiten, aber ich wusste nicht wie, der Zufall hat das alles arrangiert. Die Reflexionen, die ich machen kann, gingen mir damals nicht durch den Kopf. Da war ich ein dummer Junge. Heute sind die Straße in Deutschland okay, die Straße in Paris sind okay. Alle haben die gleichen Anoraks an. Man will immer so tun, als ob die deutschen Frauen nicht so gut gekleidet wären wie die anderen, aber sie sind nicht schlechter gekleidet, es gibt sogar ein paar, die besser gekleidet sind. Paris, Berlin, London, Schweden, Dänemark – alles das gleiche Gut und Schlecht. Das finde ich toll, denn es besteht ja kein Grund, dass Sachen teuer sein müssen, um sich anständig zu kleiden. Andererseits gibt es entsetzliche Sachen, die wahnsinnig teuer sind und die man geschenkt nicht haben möchte.“

Mode in Berlin:
In Berlin gab es in den 20er und 30er Jahren gute Häuser. Nach dem Krieg waren Staebe-Seger und Horn toll, meine Halbschwester ruinierte sich bei Horn. Das war keine spießige Mode, das war nicht Hausmannskost! Dann gab's die Mode von Heinz Schulze-Varell, die war ein bisschen steifer als in Paris. Ich werde Ihnen mal eine Skizze machen, wie das aussah. Die hatten im allgemeinen so einen Hut, hier an der Seite das Auge, ein bisschen dunkel geschminkt. Das Problem ist, ich zeichne ein bisschen zu sehr von heute. Die Kostümjacken waren meistens ziemlich eng und der Rock war hinten mit Stecknadeln festgesteckt, ein bisschen so … so posierten sie alle, und dann hatten sie hier, voilà, einen enormen Knopf. Das ist Berliner Mode aus den 50ern!“


Seine Skizze, gezeichnet auf meinen linierten Schreibblock, halte ich, golden gerahmt, in Ehren. Ein Buch über jüdische Mode und Konfektion in Berlin im 19. und 20. Jahrhundert schickte er mir mit einem herzlichen persönlichen Begleitbrief wenige Wochen später. Er hatte es aus London kommen lassen, weil es in seinem Pariser Buchladen nicht vorrätig war. Unser Gespräch zog sich bis zum Abend und ich gebe hier nur einen Auszug wieder. Zum Abschluss einige Sätze von Karl Lagerfeld zu sich selbst:

Ich bin kein mondäner Mensch. Ich bin eine Kulissenperson, das ist viel besser. Das Offizielle überlasse ich anderen. Ich habe es auch so geschafft. Ich brauche mich nicht öffentlich zu zeigen. Ich kann die Fäden in den Kulissen ziehen. Das ist viel besser. Ich hasse Namedropping. Ich lerne gerne Leute kennen, aber das geht die anderen nichts an. In dieser Beziehung bin ich diskret. Ich wirke indiskret, bin aber in Wirklichkeit sehr diskret. Wenn Sie ein Interview mit Freunden von mir machen würden, mit denen, die mich wirklich kennen, würden Sie nichts rauskriegen. Wahrscheinlich weil sie annehmen, dass sie dann automatisch enterbt werden.“

Danke, Karl Lagerfeld! #unforgettable



#karllagerfeld #aenneburda

Mittwoch, 13. Februar 2019

Adieu, Tomi !



Ich war auf Sri Lanka und beobachtete Pfauen auf Kokospalmen, als ich die Nachricht von Tomis Tod erhielt. Meer und Himmel waren an diesem Nachmittag verwaschen blau und der Horizont eine hauchdünne Linie. „Ich würde gerne eine Seemöwe sein“, hatte mir Tomi Ungerer bei einem unserer zahlreichen Interviews gesagt, „ich mag, wie sie aussehen, wie sie fliegen.“ Möwen besitzen lange und schmale, spitze Flügel und kräftige, schlanke Schnäbel mit einem leicht nach unten gekrümmtem Oberschnabel. Mit seinem länglichen schmalen Gesicht, der spitzen Nase und den blauen Augen, kann ich mir Tomi gut als Seemöwe vorstellen.
Es war in den 90er Jahren, als ich ihn erstmals in seiner Straßburger Wohnung in der rue Jean-Jacques Rousseau besuchte. Tomi war in seinen 60ern und in seinem Appartement verrenkten sich maskierte Schaufensterpuppen in schwarzem Leder. 1984 war er drei Monate lang Untermieter bei Domenica in der Hamburger Herbertstraße gewesen und hatte diese Zeit in dem erotischen Zeichenbuch „Schutzengel der Hölle“ dokumentiert.
2010 durfte ich eine Ausstellung für den Europa-Park kuratieren: Tomi Ungerers Welt der Tiere. Für den Eingangsbereich ließ ich eine seiner Katzen in Großformat anfertigen. Sie begrüßte die Besucher und Tomi war sofort verliebt in dieses besondere Tor. Als Dank schenkte er mir seinen wunderbaren Hasen im Pelz.
2017 war unsere letzte Begegnung, in Offenburg. In der Ausstellung seines Freundes Raymond E. Waydelich in der Städtischen Galerie bezeichnete er sich und den Freund als „Agents provovateurs“: „Wir haben beide den gleichen Humor und die gleiche Vorliebe, Geschichten zu erzählen.“
Es bedeutet mir viel, dass Tomi Ungerer 2018 noch bei Offenburg OPEN ausgestellt hat.
Lieber Tomi, es gab noch viele andere Treffen und Gespräche, die ich nie vergessen werde. Dein Humor, deine Geschichten und die Erinnerung an dich werden für immer bleiben.
Am Freitag um 10 Uhr gibt es eine offizielle Hommage an den wunderbaren Tomi Ungerer im Straßburger Münster. Die Zeremonie fand bereits am Dienstag in Irland statt.