Bambi kommt nach Baden-Baden. Erstmals wird Deutschlands wichtigster Medienpreis heute Abend im Festspielhaus vergeben und um 20.15 Uhr live in „Das Erste“ übertragen. Der Stifter des Preises, Verleger Hubert Burda, bringt das goldene Reh an den Ort, wo seine Mutter Aenne in den Fünfzigern beim Rosenkorso glänzte, sein Vater, Senator Franz Burda, berufliche Kontakte und Männerfreundschaften pflegte und sein Bruder Frieder 2004 das Museum für zeitgenössische Kunst eröffnete. Eine besondere Liebesgeschichte …
„Ich wollte schön sein. Ich wollte die Schönste sein!“ Die Königin der Kleider, Aenne Burda, war ebenso anspruchsvoll wie tatkräftig, ebenso direkt wie charmant. Im Januar 1950 war die erste Ausgabe ihres Schnittmuster-Magazins Burda Moden erschienen und ihr glamouröser Aufstieg zur deutschen Wirtschaftswunderfrau begann. Sie leistete sich einen Rometsch „Eleganz“ mit roten Ledersitzen und fuhr mit dem Cabriolet regelmäßig von Offenburg nach Baden-Baden zum Einkaufen und zum Friseur. Der mondäne Kurort hatte es ihr angetan. Als 1952 im Rahmen einer Rosenausstellung ein Wettbewerb ausgeschrieben wurde, bei dem Schönheit und Harmonie von Frau und Auto bewertet werden sollten, trat Aenne Burda in ihrem Rometsch an. Mit breitkrempigem Hut, rot geschminkten Lippen und in einem Organza-Kleid mit Tupfen fuhr sie den Rosenkorso über die Lichtentaler Allee. Kühlerhaube und Heck des Autos waren über und über mit roten Nelkenbouquets geschmückt, dazwischen strahlte die attraktive Verlegerin.
Fünf Jahre zuvor war sie noch Hausfrau und Mutter gewesen. Ihr Mann, Franz Burda, verdiente das Geld. Seine Aufträge erhielt er von General Raymond Schmittlein, Generaldirektor der Direction de L'Éducation Publique in Baden-Baden. „In diesem Franzosen hatte ich auch einen großen Europäer vor mir“, zollte Burda Schmittlein Respekt. Und der General lobte den Unternehmer: „Dieser dynamische Burda ist für die deutsche Wirtschaftsankurbelung auf seinem Verlagssektor vorbildlich. Er fackelt nicht, er packt zu, er wird mit unserem Wiederanstoß ein großes Werk in Gang setzten.“ Franz Burda druckte für die Franzosen Briefmarken, die „Revue d'Information“ und neue deutschsprachige Schulbücher. „General Schmittlein bastelte selbst an einer eigenen Illustrierten herum, die Das Ufer genannt wurde“, schrieb der Senator in seinen Memoiren. „Das Ufer wurde bei mir gedruckt. Aber der Erfolg war absolut negativ. Er übergab mir nach zwei Jahren dieses bankrotte Werk und die Lizenz dazu.“ 1954 erhielt das Magazin einen neuen Namen: Bunte Illustrierte.
In den ersten Nachkriegsjahren durfte Burda noch keine eigenen Zeitschriften publizieren. Aber er erhielt den Auftrag, Kunst-Kataloge zu drucken. Hans Kuhn, Sohn des Baden-Badener Delikatessenhändlers und Hoflieferanten Rudolf Kuhn, hatte in Berlin Kunst studiert und Ende der 20er bis Mitte der 30er Jahre in Paris, Florenz, Rom, am Golf von Neapel und auf Sizilien gelebt. Nach dem Zweiten Weltkrieg organisierte er in der Bäderstadt erste internationale Ausstellungen. Die Kataloge dazu stammten von der „Buch- und Tiefdruckerei Franz Burda, Offenburg in Baden“.
Kuhn, Jahrgang 1905, und Burda, 1903 geboren, freundeten sich an, und der Drucker erteilte dem Künstler 1947 den Auftrag, seine Ehefrau zu porträtieren. Für Anna, wie Aenne Burda damals noch genannt wurde, eröffnete sich mit dem Betreten von Hans Kuhns Atelier in der Villa Schriever an der Lichtentaler Allee eine neue Welt: „Kuhn versammelte um sich die Spuren und Schätze seiner jahrelangen Wanderschaft“, schrieb Kuhns Sohn Philipp in dem Band „Aenne Burda – Die Macht des Schönen“. „Alles war präsent, in Bildern wie in Gegenständen, eine malerische Mischung am Rande der Ordnung: persische und italienische Fayencen, afrikanische Kleinplastik, Versteinerungen und Mineralien, mysteriös-farbige Tiefseemuscheln, venezianische Spiegel, Opalinglas, kleine griechische und römische Antiken.“ Tief beeindruckt erinnerte Aenne Burda: „Ich wusste gar nicht, wie weit die Interessen eines Menschen überhaupt gehen können. Bei uns gingen sie doch nie über unsere Druckerei und Offenburg hinaus.“
Das Porträt, das Hans Kuhn von ihr anfertigte, missfiel ihr, nicht aber der Künstler. Sie schätzte sein enzyklopädisches Wissen und lobte: „Hans Kuhn war mein geistiger Mentor. Er hat mich gebildet. Wenn er etwas gesagt hat, dann war das immer fundiert, weil er alles wusste.“ Mit seinen Erzählungen von Taormina schürte er ihre Sehnsucht nach dem Süden. Er animierte Aenne Burda, selbst zu malen und weckte die Freude, Kunst zu sammeln. Eine Leidenschaft, die sie mit ihrem Mann teilte.
Franz Burda liebte Marc Chagall, August Macke, Erick Heckel, Ernst Ludwig Kirchner, Pablo Picasso. „Interessant“, kommentierte er deshalb knapp das erste Kunstwerk, das sein mittlerer Sohn Frieder 1968 erwarb: eine Arbeit des zeitgenössischen Malers Lucio Fontana. Dass sie den Grundstein für eine der bedeutendsten privaten Sammlungen Europas mit rund tausend Werken moderner und zeitgenössischer Kunst bilden sollte, ahnte er damals nicht. Senator Franz Burda starb 1986, 18 Jahre vor der Eröffnung des Museums Frieder Burda. Lange hatte Frieder in Südfrankreich gelebt, mit Baden-Baden war er viele Jahre nur geschäftlich verbunden: Die F & F Vermögensverwaltung, die er mit seinem älteren Bruder Franz gegründet hatte, war hier ansässig. Allerdings war er 1998 erster Stifter im neuen Festspielhaus. Seinem Biografen Stefan Koldehoff offenbarte Frieder Burda: „Hier sind meine Wurzeln ... Ich fühle mich hier heimisch, und meine Sammlung ist ein Teil von mir. Deshalb gehört sie auch hierher.“
Hier bedeutete für ihn Baden. Und die Stadt, die Baden gleich zweimal in ihrem Namen führt, wurde zu seinem Lebensmittelpunkt. Für das von Richard Meier entworfene Museum könnte es keinen schöneren Platz geben als in der Parkanlage an der Lichtentaler Allee, nur wenige Gehminuten von dem einstigen Atelier Hans Kuhns entfernt.
Offenburg liegt 40 Autominuten südlich, Karlsruhe 40 Autominuten nördlich. Und hier ist das Reh zuhause, das bis heute Deutschlands wichtigsten Medienpreis symbolisiert. 1936 von der Heidelberger Tierbildhauerin Else Bach in der Majolika Manufaktur geschaffen, zeichnete Karl Fritz, Verleger der Neuen Verlagsanstalt Karlsruhe, ab 1948 Schauspielerinnen und Schauspieler mit dem ursprünglich schneeweißen Keramik-Reh aus. „Das sieht ja aus wie Bambi!“, freute sich ein Walt Disney-Fan, die Tochter der ersten Preisträgerin Marika Röck. Vergoldet hat das „German Bambi“ Senator Franz Burda. Der Offenburger Verleger übernahm 1962 55,5 Prozent der Neuen Verlagsanstalt, Bambi inklusive. Von 1954 bis 1964 wurde der Filmpreis in der Fächerstadt verliehen und Stars wie Maria Schell, O.W. Fischer, Jean Marais, Gina Lollobrigida, Sophia Loren und Rock Hudson wurden hier ausgezeichnet. Dann zelebrierten Aenne und Franz Burda viele Jahre lang Bambi und Bal paré mit Prominenz aus Politik, Gesellschaft, Wirtschaft und Kultur im „Bayerischen Hof“ in München.
Ihren 90. Geburtstag feierte die Königin der Kleider wieder in Baden-Baden – mit einem glanzvollen Fest in „Brenners Park-Hotel“. Anmutige Models präsentierten eine Modenschau zu Ehren der Gründerin von Burda Moden. Aenne Burda betrat die Bühne, bedankte sich und sagte: „Diese Jugend ist die Zukunft. Sie sind so schön. Sie sind so einheitlich. Das ist eure Zukunft. Das ist das Gleichmachen. Um Gottes Willen sich bloß nicht abheben. Und ich wollte mich mein ganzes Leben abheben.“
Aenne Burda liebte das Besondere, das Individuelle. Sie wollte nicht nur schön, sie wollte die Schönste sein. 1952, beim Rosenkorso auf der Lichtentaler Allee hatte sie nur den zweiten Preis erhalten, und sie wunderte sich noch im hohen Alter, warum sie nicht den ersten bekommen hatte: „Ich weiß, dass ich mir vorkam wie Hollywood, reinstes Hollywood! Ich war wirklich erster Preis.“
Mit Bambi kommt ein Hauch von Hollywood nach Baden-Baden. Im winterlichen Lichterglanz treffen sich Menschen, die die Welt bewegen, in der einstigen Sommerhauptstadt Europas. Philipp Welte, Vorstandsmitglied von Hubert Burda Media, sagt: „Baden-Baden ist mit seiner langen Historie als Stadt der Medien und der Künste international bekannt und passt wunderbar zu Bambi als einem spektakulären Medienereignis für alle Generationen.“
Veröffentlicht in RIZZI & CO