Dienstag, 30. Oktober 2018

La vie est belle



Herzliche Einladung zu La vie est belle – ein Abend für Frauen im Schoellmanns am Dienstag, 13. November 2018, 19 Uhr. Freundinnen, Schwestern, Mütter, Töchter ... informieren und anmelden unter info@schoellmanns.de oder Tel. 0781 9 19 49 99. Wir freuen uns auf euch!

Donnerstag, 25. Oktober 2018

SAVE THE DATE


13 - 11 - 2018 LA VIE EST BELLE – ein Abend für Frauen im #Schoellmanns

Interview mit Gerhard, Gunnar & Grischa Lehmann


Dieses Jahr feiern Lehmann Architekten 50 Jahre Bürogründung und 80 Jahre Bürogründer. Aus diesem Anlass führte ich für eine Publikation Interviews mit Gerhard Lehmann und seinen Söhnen Gunnar und Grischa. Da das Buch nicht zu erwerben ist, hier der 2. Teil des Interviews: G. A. L. – Vater und Söhne Lehmann üben nicht nur den gleichen Beruf aus, sie tragen auch identische Initialen. Dabei steht das A. nicht für Architekt, sondern für Andreas, Gerhard Lehmanns Großvater mütterlicherseits. Mit Gerhard (Jahrgang 1938), Gunnar (Jahrgang 1971) und Grischa Lehmann (Jahrgang 1974) sprach ich über den Traumberuf des Architekten, Entwicklungen, Herausforderungen, Reglementierungen und aktuelle Tendenzen.

Uns verbindet das Interesse an innovativer Architektur“



Ute Dahmen Gunnar, wann stand für Sie fest, dass Sie Architekt werden?

Gunnar Lehmann Das war weniger ein Aha-Erlebnis, sondern ein sanfter Übergang. Meinen ersten Ferienjob im Büro hatte ich bereits Anfang der 80er, als ich für den „Mattenhof“ Hunderte von Blaupausen anfertigte. Da die Entwicklung von Lichtpausen im Ammonikdampf erfolgte und von meiner Mutter als gesundheitsgefährdend eingestuft wurde, musste ich dieses Gastspiel frühzeitig beenden. Bis zum Abitur 1990 habe ich immer wieder Büro-Luft geschnuppert. Meine Abschlussnote war gut, so dass ich trotz Zulassungsbeschränkung sofort ein Architekturstudium an der Technischen Hochschule Karlsruhe, heute KIT (Karlsruher Institut für Technologie), aufnehmen konnte. Rückblickend wäre ein Sportstudium sicherlich eine Alternative gewesen: Turnen, Tennis, Fußball, Skifahren und Snowboarden waren Disziplinen, die ich erfolgreich ausübte.

UD Gab es Anfang der 90er in Karlsruhe Professoren-Persönlichkeiten wie Egon Eiermann es zur Zeit ihres Vaters war?

Gunnar L Begonnen habe ich bei Arno Lederer, der frisch den Lehrstuhl für Baukonstruktion und Entwerfen übernommen hatte. Er war von der Postmoderne und der Architektur der 70er geprägt, lehnte aber filigrane Stahl-Glas-Konstruktionen ab. Der bedeutendste Hochschullehrer in Karlsruhe war damals der Niederländer Jo Coenen, der Gebäudelehre und Entwerfen unterrichtete. Er war ein Schüler von Luigi Snozzi, bei dem ich mein Erasmus-Jahr in Lausanne absolviert habe. Zuvor war ich fünf Monate im „Atelier 5“ in Bern. Der Siedlungsbau dieser bereits in den 50er Jahren gegründeten Architektengemeinschaft galt als wegweisendes Beispiel nach dem Zweiten Weltkrieg. Das „Atelier 5“ befasste sich mit Themen, die auch für meine heutige Arbeit relevant sind: Wohnbebauungen, Bauen in historischer Umgebung, institutionelle und Gewerbebauten. Um Architektenpersönlichkeiten kennenzulernen, ging man in den 90er Jahren ins Ausland.

Gerhard Lehmann Luigi Snozzi galt damals als Ikone.

UD Grischa, was hat Sie bewogen, 1996 ein Architekturstudium zu beginnen?

Grischa Lehmann Ich kann mich an keine bewusste Entscheidung erinnern. Grundsätzlich hatte ich vieles im Kopf und wollte etwas ganz anderes machen. Nach dem Abitur 1994 absolvierte ich meinen Zivildienst, bei dem ich feststellte, dass ein sozialer Beruf für mich nicht in Frage kommt. Ich begann eine Lehre als Bauzeichner und beobachtete, dass mein Bruder offensichtlich Spaß an seinem Studium hatte.

Gunnar L Der Architektenberuf wird einem ja auch immer als schöner Job verkauft.

Grischa L Du kannst kreativ arbeiten – aber auf einem konkreten Boden. Das ist schon so.

Gunnar L Dennoch ist die Vorstellung von Außenstehenden bisweilen etwas verklärt.

Grischa L Es geht darum, etwas zu verdinglichen, ein Objekt in die Welt zu schaffen. Wer glaubt, ein Architekt zeichnet und das Gebäude ist da, irrt. So funktioniert die Realität nicht.

Gunnar L Wir haben in einer Phase studiert, in der ein regelrechter Run auf Architektur bestand. Die Hörsäle waren voll.

UD Galt Architekt in den 90ern als Traumberuf?

Gerhard L Das würde ich schon sagen. Auf einmal entdeckten Mädchen Architektur als Kreativberuf.

Gunnar L In meinem Jahrgang waren 50 Prozent der Studierenden weiblich.

Gerhard L Ich erinnere mich an einen Vater, der für seine Tochter anrief, weil sie gut malen und zeichnen konnte, aber nichts mit Mathematik am Hut hatte. Er glaubte, das seien die besten Voraussetzungen. Was nicht stimmt. Am Ende bedarf es eines klaren Kopfes. Gute Architektur bedeutet viel Arbeit. Das wird total unterschätzt.

Gunnar L Das haben wir sicherlich nicht bewusst wahrgenommen, sonst hätten wir uns vielleicht anders entschieden.

Gerhard L Samstags musste ich Gerti die Kinder abnehmen. Ich habe sie entsprechend angezogen und auf Baustellen mitgeschleppt, wo sie im Erdaushub spielten. Bevor's zurück ins Haus ging, haben wir uns in der Garage umgezogen.

UD Das hört sich nach einem früh vorgezeichneten Weg an. Sind Sie deshalb auch wie Ihr Vater und Ihr Bruder nach Karlsruhe gegangen, Grischa?

Grischa L Die Technische Hochschule hatte einen guten Ruf und ich war in der Region verwurzelt. An der Uni war ich schnell als kleiner Gunnar bekannt und hatte sofort Kontakt zu den höheren Semestern. Ich galt als williger Diplomhelfer, da ich tuschen konnte und kein Problem damit hatte, Nächte durchzuarbeiten.

UD Was waren Ihre persönlichen Schwerpunkte?

Grischa L Ich habe als Wissenschaftliche Hilfskraft für Henri Bava und Alban Janson gearbeitet. Der Franzose Bava leitete das Fachgebiet Landschaftsarchitektur, Janson lehrte die Grundlagen der Gestaltung.

UD Was versteht man darunter?

Grischa L Zusammenhänge, Hintergründe, die Geschichte von Architektur und Gestaltung. Alles Themen, für die in der Praxis wenig Zeit bleibt. An der Universität kann man sich drei Monate mit einem Projekt befassen, im Büro...

Gerhard L … hast du drei Wochen. Geschwindigkeit ist notwendig, um Ergebnisse zu erzielen.

Gunnar L Ich habe den theoretischen Part sicherlich vernachlässigt, das würde ich heute anders machen.

Grischa L Ich habe das als Qualität gespürt. Ich saß gerne in der Bibliothek und habe während des Studiums zwei, drei Bücher entdeckt, die mich geprägt haben. Eines davon war von Aldo Rossi: „Die Architektur der Stadt“. Darin lenkte er seinen Blick auf die traditionelle europäische Stadt und kritisierte das modernistische Dogma, wonach die Form aus der Funktion erwachse.

Gerhard L Grischa hat eine besondere Art, Dingen auf den Grund zu gehen. Ich selbst kam aus der Praxis und hatte theoretische Defizite. Mit großem Interesse verfolgte und verfolge ich deshalb alle Tendenzen.

Gunnar L Ich war bereits früh in die Praxis eingebunden. Bereits vor dem Studium habe ich an einem Wettbewerb für eine Mehrzweckhalle in Villingen-Schwenningen mitgearbeitet, bei dem wir den dritten Preis erzielten. Das war eine gute Grundlage. Für einen Studenten war es nobel, während der Semesterferien Entwürfe für Wettbewerbe mitzugestalten und dabei Geld zu verdienen. Während des 5. und 6. Semesters habe ich mich weniger an der Uni als im Büro engagiert. Damals stand das Großprojekt „Kulturforum“ an.

Gerhard L Ohne die Jungs hätte ich mich vermutlich gar nicht an diesem Wettbewerb beteiligt. Die Gebäude auf dem Ihlenfeldareal waren verrottet und es hat fürchterlich gestunken.

UD Gunnar, wann sind Sie offiziell ins Berufsleben eingetreten?

Gunnar L Nach meinem Diplom 1998 habe ich meinen Zivildienst absolviert und parallel im Büro gearbeitet.

UD Wann sind Sie eingestiegen, Grischa?

Grischa L Meine erste Mitarbeit war Ende der 90er am Kinder- und Familienzentrum „David-Fuchs-Haus“ in Villingen-Schwenningen. Bevor ich im Wintersemester 2003/04 mein Diplom schrieb, verbrachte ich noch einige Monate in Barcelona. Ich hatte während des Studiums meine heutige Frau Marion kennengelernt, die ebenfalls Architektin ist und in Spanien ein Aufbaustudium absolvierte. 2004 habe ich direkt hier angefangen, ich habe nie in einem anderen Büro gearbeitet.

Gerhard L Deshalb ist er so gut. Grischa hat ein tolles Diplom abgeliefert und uns alle geschlagen.

Grischa L Das war aber das einzige Mal.

Gerhard L Ich wollte den Jungs nie vorschreiben, welcher Weg für sie sinnvoll oder weniger sinnvoll ist, sondern habe mit Spannung beobachtet, wo sie einmal landen. In einem anderen Büro? Grischa vielleicht an der Hochschule?

Grischa L Bei der damaligen Schwemme an Architekten blieb keine große Wahl. Wenn Kollegen hundert Bewerbungen schrieben, freuten sie sich bei drei Absagen, dass überhaupt jemand reagierte. Die Entscheidung, in den väterlichen Betrieb zu gehen, war deshalb pragmatisch. Ich wusste, hier werde ich nicht in die Modellwerkstatt geschickt, sondern kann verantwortlich gestalten.

UD Wenn der Vater mit den Söhnen arbeitet, kann das auch zu Konflikten führen, oder?

Gunnar L Für mich stand immer der Wille, etwas gemeinsam zu erarbeiten und dabei zu lernen, im Vordergrund, unabhängig, ob es sich dabei um den eigenen Vater handelt. Gegenseitiger Respekt bildet die Grundlage. Unterschiedliche Ansätze dürfen nicht dazu führen, dass einer den anderen abqualifiziert.

Gerhard L Mir war von vornherein klar, dass eine Zusammenarbeit nicht immer einfach verlaufen würde. Jeder möchte ein Ergebnis nach seinen Vorstellungen sehen und das kann nicht immer identisch sein. Die Architektursprache ändert sich im Lauf der Zeit, aber was falsch oder richtig ist, ist zu jeder Zeit falsch oder richtig. Allein über schön oder hässlich lässt sich streiten. Diese Verständigung lief bei uns immer problemlos.

UD Was war Ihr erstes gemeinsames Projekt?

Gerhard L Das Verwaltungsgebäude für das Landratsamt in Freiburg, für das wir einen 1. Preis erhielten, war für mich das Schlüsselprojekt. Grischa war noch im Studium, konnte aber mitreden und musste die Zeichen-Knochenarbeit übernehmen. Gunnar und ich fuhren nach Wiesbaden, wo wir ein Verwaltungsgebäude von Herzog + Partner besichtigten, einen Skelettbau aus Stahl, Glas und Beton, sowie nach Kronberg, wo Schneider + Schumacher die „Braun“-Hauptverwaltung mit einer Fassade entwickelt hatten, die wie ein Kastenfenster funktionierte und Wärmeverluste im Winter und Überhitzungen im Sommer verhinderte. Energieeffizientes Bauen wurde in den 90ern erstmals thematisiert und es wurde mit verschiedenen Ansätzen experimentiert.

Gunnar L Uns verbindet das Interesse an innovativer Architektur. Letztendlich haben wir für das Landratsamt in Freiburg eine eigene Lösung gewählt.

Gerhard L Grischa hat bei dem Entwurf gewaltig mitgeredet. Er ist von Natur aus etwas bockig und hartnäckig.

Gunnar L Ich glaube, das sind wir alle.

Gerhard L Ja, das sind wir.

Gunnar L Letztendlich geht es immer darum, den Ehrgeiz für eine optimale Lösung zu entwickeln. Um den gemeinsamen Einsatz, die Stunden und teilweise auch die Nächte, die wir investieren.

Grischa L Die Arbeit meines Vaters besaß immer eine große Qualität, weil er jedes Projekt ergebnisoffen und mit Freude angeht. Das haben Generationen von Mitarbeitern erlebt und hat auch mich geprägt. Anfangs möchtest du dich freischwimmen. Als ich die Fassade für das Landratsamt gezeichnet hatte, musste ich mir anhören: Wir sind hier nicht in Berlin! Mit der Zeit lernst du, Dinge anzunehmen. Mittlerweile empfinde ich es als relaxed, mit Zweien zu arbeiten, von denen du weißt, dass es keine Idioten sind.

UD Apropos Berlin. Seit 2006 leben und arbeiten Sie in der Hauptstadt. Wie kam es dazu?

Grischa L Meine Frau Marion kommt aus Schleswig-Holstein und konnte sich nicht vorstellen, im Schwarzwald zu leben. Wir wohnten in Karlsruhe und ich bin täglich ins Büro nach Offenburg gefahren. Die Überlegung, sich beruflich zu verändern, fand ihre Antwort, indem 2005 eine Ausschreibung für eine Schule mit Internat und Schulungszentrum des Bundesamts für Bauwesen und Raumordnung auf unserem Tisch lag. Nachdem wir im Wettbewerb den 1. Preis erhielten, stand fest: Wir müssen nach Berlin.

UD War Ihnen damals klar, dass das ein Zehn-Jahres-Projekt werden würde?

Grischa L Nein. Baubeginn war 2006, zwei Jahre später beschloss das Vertrauensgremium des Deutschen Bundestags, dass die Schulen des Bundesnachrichtendienstes und des Verfassungsschutzes zusammengelegt werden sollen. Der Entwurf wurde daraufhin angepasst, das Gebäude 2016 fertiggestellt.

UD Wie viele Mitarbeiter haben Lehmann Architekten am Standort Berlin?

Grischa L In unserem Büro am Prenzlauer Berg arbeiten wir zu fünft. Für das BND-Projekt sind über Monate Offenburger Mitarbeiter nach Berlin gependelt. Aufgrund von Sicherheitsvorkehrungen war es nicht möglich, neue Leute in das Projekt einzubinden.

UD Rechnet sich ein Architekturbüro mit zwei Standorten?

Gerhard L Wirtschaftlich sicher nicht. Für den Input, ja. Die Berliner Architekturszene war von jeher interessant.

UD Ein aktuelles Beispiel?

Gerhard L Der 1999 beschlossene Masterplan Museumsinsel unter der Federführung von David Chipperfiled, der 2015/26 vollendet sein soll. Er begreift das Ensemble der fünf historischen Bauten als inhaltliche Einheit und respektiert gleichzeitig die Anatomie der Gebäude. Chipperfield ist ein Glücksfall für Berlin.

UD Wie stehen Sie zum Wiederaufbau des barocken Berliner Stadtschlosses, das 1950 gesprengt wurde?

Gunnar L Wir hätten es auch wieder aufgebaut, wenn wir den Wettbewerb gewonnen hätten. Franco Stella, dessen Entwurf mit dem 1. Preis prämiert wurde, hätte gar nicht zugelassen werden dürfen, da er nicht alle Wettbewerbsbedingungen erfüllte.

Grischa L Auf die Frage, ob ein vernichtetes Gebäude rekonstruiert werden soll, gibt es keine eindeutige Antwort. Die Wenigsten wissen, dass auch die Frankfurter Paulskirche als nationales Symbol der Freiheit ein Wiederaufbau ist. Sie wurde bei einem schweren Luftangriff im März 1944 zerstört und zum hundertsten Jubiläum der Nationalversammlung im Mai 1948 wiedereröffnet. Deshalb gibt es von mir zum Berliner Schloss weder ein Ja noch ein Nein. Ich stelle aber immer wieder fest, dass die Architekten in der Hauptstadt extrem konservativ sind.

Gerhard L Im Vergleich zu Rom oder Paris ist Berlin eine junge Stadt, die an historischer Bausubstanz wenig zu bieten hat. Umso mehr hängen die Berliner an allem, was Geschichte transportiert.

Grischa L Hinzu kommt, dass die Fassaden privat finanziert werden.

Gerhard L Das Thema ist emotional besetzt. Wer Spenden sammelt, löst Begeisterung aus, die Politik gerät unter Druck und irgendwann zahlt's der Steuerzahler. Das war in Hamburg nicht anders. Das Projekt Elbphilharmonie begann mit einer privaten Initiative und sollte die Stadt 77 Millionen Euro kosten. Heute wird vom Senat eine Summe von 866 Millionen angegeben und die Hamburger sprechen nur noch über das Ergebnis.

Grischa L Immerhin wurde das Gebäude im Gegensatz zum Berliner Flughafen fertiggestellt.

UD Die Elbphilharmonie wurde von den Basler Architekten Herzog und De Meuron geplant, die international Erfolge feiern. Sind das die Architekten-Stars von heute?

Gunnar L Während meines Studiums galt Günter Behnisch als Architektenpersönlichkeit. Anfang der 70er hatte er Weltberühmtheit durch das Münchner Olympiastadion erlangt, 1992 entwarf er den neuen Plenarsaal des Deutschen Bundestags in Bonn. Später nahmen gewiss Herzog und De Meuron oder der französische Architekt Jean Nouvel seine Rolle ein. Für mich persönlich kann ich sagen, dass es kein berühmtes Vorbild, sondern die tägliche Arbeit im Büro war, die mich geprägt hat.

Grischa L Wenn ich mir die Bergstation Chäserrugg von Herzog und De Meuron aus dem Jahr 2015 ansehe, entspricht die Holzkonstruktion dem Forstausbildungszentrum „Mattenhof“, das mein Vater Ende der 70er entworfen hat.

UD Für das „Museum des 20. Jahrhunderts“ am Kulturforum in Berlin gingen die Basler ebenfalls als erste Preisträger hervor. Würden Sie Herzog und De Meuron als richtungsweisend bezeichnen?

Gunnar L Es gibt nicht eine Richtung. Heute ist alles möglich.

Gerhard L Schon Hans Scharoun hat gesagt, es wird keinen Baustil mehr geben. Die Zeit der Baustile ist vorbei.

Gunnar L Was zählt, ist das Spektakuläre.

Gerhard L Das Spektakuläre ist das Einfache.

UD Die aus dem Irak stammende und 2016 verstorbene Architektin Zaha Hadid sorgte mit ihrer dekonstruktivistischen Formensprache für Aufsehen. Spektakulär, aber gewiss nicht einfach ...

Grischa L Hadid hat in der freien Form Perfektion geleistet. Das bewegt, mehr aber auch nicht und bleibt für mich ebenso banal wie Gebäude von Daniel Libeskind.

Gerhard L Das ist der Bilbao-Effekt. Die Guggenheim Foundation hat einen Investor gesucht und die Stadt, die bereit war zu investieren, hat den Zuschlag erhalten. Das Museum von Frank O. Gehry wertet als spektakulärer Bau den Ort auf.

Gunnar L Diesen künstlerischen Ansatz will ich nicht verwerfen, sofern die Skulptur eine Funktion erfüllen kann. Allerdings bin ich der Ansicht, dass diese Herangehensweise nicht allgemeingültig zielführend ist.

Gerhard L Aus meiner Sicht hält sich nur, was Solidität hat. Was macht eine Stadt lebenswert? Ein Beweis ist das Kino in Offenburg, an dessen Zukunft niemand geglaubt hat und das heute ein zentraler Treffpunkt inmitten der Stadt ist.

UD Was waren für jeden von Ihnen persönlich die wichtigsten Projekte?

Grischa L Das Gebäude für BND und Verfassungsschutz. Es war das erste Projekt, das ich selbständig von Berlin aus geleitet habe. Ich war Anfang 30, unbekannt und die Stadt ein Haifischbecken.

Gunnar L Die Verantwortlichkeit für Projekte der öffentlichen Hand wie die Gewerblichen Schulen in Offenburg oder das Amtsgericht in Günzburg und andererseits für Direktaufträge privater Bauträger wie das „Kesselhaus“ in Offenburg, für das ich die Generalplanung übernommen habe.

Gerhard L Der „Mattenhof“, die Haupt- und Realschule in Gengenbach, die heute ebenso wie die Grundschule in Weier komplett verstümmelt ist. Das „Kulturforum“ war sicherlich eine Herausforderung. Grundsätzlich gilt, dass sich die Anforderungen im Lauf dieser fünfzig Jahre verändert haben. Früher konntest du die Form eines Treppengeländers selbst bestimmen, heute übernimmt das der Statiker.

Gunnar L … und die Unfallversicherung.

Gerhard L Reglementierungen verhindern vieles.

Gunnar L Transparentes Bauen wie ein Günter Behnisch es umsetzte, ist aufgrund des Anspruchs auf Energieeffizienz heute nicht mehr möglich. Bauphysikalische Überlegungen spielen ebenso eine Rolle wie die Wartung von Gebäuden.

Grischa L Wenn man einen filigranen Ansatz hat, wird es schwierig. Allerdings empfinde ich die Nachhaltigkeitsdiskussion als spannend. Was kann ich heute bauen, ohne dass künftige Generationen ironisch Danke sagen? Und der ökonomische Aspekt spielt natürlich auch eine Rolle. Konservatives Mauerwerk ist nach wie vor die günstigste Lösung. Wenn für die Fassade kein Geld mehr vorhanden ist, kommt Styropor darauf und wird verputzt.

UD Wenn Geld und Gesetzesvorgaben keine Rolle spielten – was würden Sie bauen?

Grischa L Mein Traum war immer ein Hochhaus in Berlin.

Gerhard L Und jedes Stockwerk sieht gleich aus.

Grischa L Ein Turm? Oder ein Sakralbau? Oder eine Berghütte?

Gunnar L Sich selbst einen Ort schaffen, in einer Landschaft.

Grischa L Ein „Fallingwater“, wie es Frank Lloyd Wright in den 1930ern im Tal des Youghiogheny River gebaut hat. Wenn man so ein Grundstück hätte …

Gunnar L Ein Projekt, bei dem man sich voll und ganz auf die Sache konzentrieren könnte, als ob man Architektur nicht als Beruf, sondern als Hobby betriebe.
Grischa L Andererseits schätze ich es sehr, dass Bauen im Bestand eine so zentrale Rolle in unserem Büro spielt. Ich empfinde es als dankbar, auf etwas Bezug nehmen zu können. Unsere Aufgabe ist es, das Wesentliche an einem bestehenden Gebäude zu erkennen und mit diesen Clustern zu arbeiten. So kann zum Beispiel eine barocke Fassade aktuell wirken, ohne ihre typische Anmutung zu verlieren. Für mich geht es nicht um die Zuordnung einer bestimmten Zeit, sondern um das Spüren von Zeitlosigkeit.

Gunnar L Wenn man auf diese Vielzahl unterschiedlichster Projekte in 50 Jahren zurückblicken kann, weiß man, worauf man sich einlässt. Bei jedem neuen Projekt stellt sich die Frage nach der angemessenen Antwort. Und jede Herausforderung nehmen wir mit Freude an.