Herzliche Einladung zu La vie est belle – ein Abend für Frauen im Schoellmanns am Dienstag, 13. November 2018, 19 Uhr. Freundinnen, Schwestern, Mütter, Töchter ... informieren und anmelden unter info@schoellmanns.de oder Tel. 0781 9 19 49 99. Wir freuen uns auf euch!
Dienstag, 30. Oktober 2018
Donnerstag, 25. Oktober 2018
Interview mit Gerhard, Gunnar & Grischa Lehmann
Dieses
Jahr feiern Lehmann Architekten 50 Jahre Bürogründung und 80 Jahre
Bürogründer. Aus diesem Anlass führte ich für eine Publikation
Interviews mit Gerhard Lehmann und seinen Söhnen Gunnar und Grischa. Da das Buch nicht zu erwerben ist, hier der 2. Teil des
Interviews: G. A. L. – Vater und Söhne
Lehmann üben nicht nur den gleichen Beruf aus, sie tragen auch
identische Initialen. Dabei steht das A. nicht für Architekt,
sondern für Andreas, Gerhard Lehmanns Großvater mütterlicherseits.
Mit Gerhard (Jahrgang 1938), Gunnar (Jahrgang 1971) und Grischa
Lehmann (Jahrgang 1974) sprach ich über den Traumberuf des
Architekten, Entwicklungen, Herausforderungen, Reglementierungen und
aktuelle Tendenzen.
„Uns verbindet das Interesse an innovativer Architektur“
Ute
Dahmen Gunnar, wann stand für Sie fest, dass Sie
Architekt werden?
Gunnar
Lehmann Das
war weniger ein Aha-Erlebnis, sondern ein sanfter Übergang. Meinen
ersten Ferienjob im Büro hatte ich bereits Anfang der 80er, als ich
für den „Mattenhof“ Hunderte von Blaupausen anfertigte. Da die
Entwicklung von Lichtpausen im Ammonikdampf erfolgte und von meiner
Mutter als gesundheitsgefährdend eingestuft wurde, musste ich dieses
Gastspiel frühzeitig beenden. Bis zum Abitur 1990 habe ich immer
wieder Büro-Luft geschnuppert. Meine Abschlussnote war gut, so dass
ich trotz Zulassungsbeschränkung sofort ein Architekturstudium an
der Technischen Hochschule Karlsruhe, heute KIT
(Karlsruher Institut für Technologie),
aufnehmen konnte. Rückblickend wäre ein Sportstudium sicherlich
eine Alternative gewesen: Turnen, Tennis, Fußball, Skifahren und
Snowboarden waren Disziplinen, die ich erfolgreich ausübte.
UD Gab
es Anfang der 90er in Karlsruhe Professoren-Persönlichkeiten wie
Egon Eiermann es zur Zeit ihres Vaters war?
Gunnar
L Begonnen
habe ich bei Arno Lederer, der frisch den Lehrstuhl für
Baukonstruktion und Entwerfen übernommen hatte. Er war von der
Postmoderne und der Architektur der 70er geprägt, lehnte aber
filigrane Stahl-Glas-Konstruktionen ab. Der bedeutendste
Hochschullehrer in Karlsruhe war damals der Niederländer Jo Coenen,
der Gebäudelehre und Entwerfen unterrichtete. Er war ein Schüler
von Luigi Snozzi, bei dem ich mein Erasmus-Jahr in Lausanne
absolviert habe. Zuvor war ich fünf Monate im „Atelier 5“ in
Bern. Der Siedlungsbau dieser bereits in den 50er Jahren gegründeten
Architektengemeinschaft galt als wegweisendes Beispiel nach dem
Zweiten Weltkrieg. Das „Atelier 5“ befasste sich mit Themen, die
auch für meine heutige Arbeit relevant sind: Wohnbebauungen, Bauen
in historischer Umgebung, institutionelle und Gewerbebauten. Um
Architektenpersönlichkeiten kennenzulernen, ging man in den 90er
Jahren ins Ausland.
Gerhard
Lehmann Luigi
Snozzi galt damals als Ikone.
UD Grischa,
was hat Sie bewogen, 1996 ein Architekturstudium zu beginnen?
Grischa
Lehmann Ich
kann mich an keine bewusste Entscheidung erinnern. Grundsätzlich
hatte ich vieles im Kopf und wollte etwas ganz anderes machen. Nach
dem Abitur 1994 absolvierte ich meinen Zivildienst, bei dem ich
feststellte, dass ein sozialer Beruf für mich nicht in Frage kommt.
Ich begann eine Lehre als Bauzeichner und beobachtete, dass mein
Bruder offensichtlich Spaß an seinem Studium hatte.
Gunnar
L Der
Architektenberuf wird einem ja auch immer als schöner Job verkauft.
Grischa
L
Du kannst kreativ arbeiten – aber auf einem konkreten Boden. Das
ist schon so.
Gunnar
L Dennoch
ist die Vorstellung von Außenstehenden bisweilen etwas verklärt.
Grischa
L Es
geht darum, etwas zu verdinglichen, ein Objekt in die Welt zu
schaffen. Wer glaubt, ein Architekt zeichnet und das Gebäude ist da,
irrt. So funktioniert die Realität nicht.
Gunnar
L Wir
haben in einer Phase studiert, in der ein regelrechter Run auf
Architektur bestand. Die Hörsäle waren voll.
UD Galt
Architekt in den 90ern als Traumberuf?
Gerhard
L Das
würde ich schon sagen. Auf einmal entdeckten Mädchen Architektur
als Kreativberuf.
Gunnar
L In
meinem Jahrgang waren 50 Prozent der Studierenden weiblich.
Gerhard
L Ich
erinnere mich an einen Vater, der für seine Tochter anrief, weil sie
gut malen und zeichnen konnte, aber nichts mit Mathematik am Hut
hatte. Er glaubte, das seien die besten Voraussetzungen. Was nicht
stimmt. Am Ende bedarf es eines klaren Kopfes. Gute Architektur
bedeutet viel Arbeit. Das wird total unterschätzt.
Gunnar
L Das
haben wir sicherlich nicht bewusst wahrgenommen, sonst hätten wir
uns vielleicht anders entschieden.
Gerhard
L Samstags
musste ich Gerti die Kinder abnehmen. Ich habe sie entsprechend
angezogen und auf Baustellen mitgeschleppt, wo sie im Erdaushub
spielten. Bevor's zurück ins Haus ging, haben wir uns in der Garage
umgezogen.
UD Das
hört sich nach einem früh vorgezeichneten Weg an. Sind Sie deshalb
auch wie Ihr Vater und Ihr Bruder nach Karlsruhe gegangen, Grischa?
Grischa
L Die
Technische Hochschule hatte einen guten Ruf und ich war in der Region
verwurzelt. An der Uni war ich schnell als kleiner Gunnar bekannt und
hatte sofort Kontakt zu den höheren Semestern. Ich galt als williger
Diplomhelfer, da ich tuschen konnte und kein Problem damit hatte,
Nächte durchzuarbeiten.
UD Was
waren Ihre persönlichen Schwerpunkte?
Grischa
L Ich
habe als Wissenschaftliche Hilfskraft für Henri Bava und Alban
Janson gearbeitet. Der Franzose Bava leitete das Fachgebiet
Landschaftsarchitektur, Janson lehrte die Grundlagen der Gestaltung.
UD Was
versteht man darunter?
Grischa
L Zusammenhänge,
Hintergründe, die Geschichte von Architektur und Gestaltung. Alles
Themen, für die in der Praxis wenig Zeit bleibt. An der Universität
kann man sich drei Monate mit einem Projekt befassen, im Büro...
Gerhard
L …
hast du drei Wochen. Geschwindigkeit ist notwendig, um Ergebnisse zu
erzielen.
Gunnar
L Ich
habe den theoretischen Part sicherlich vernachlässigt, das würde
ich heute anders machen.
Grischa
L Ich
habe das als Qualität gespürt. Ich saß gerne in der Bibliothek und
habe während des Studiums zwei, drei Bücher entdeckt, die mich
geprägt haben. Eines davon war von Aldo Rossi: „Die Architektur
der Stadt“. Darin lenkte er seinen Blick auf die traditionelle
europäische Stadt und kritisierte das modernistische Dogma, wonach
die Form aus der Funktion erwachse.
Gerhard
L Grischa
hat eine besondere Art, Dingen auf den Grund zu gehen. Ich selbst kam
aus der Praxis und hatte theoretische Defizite. Mit großem Interesse
verfolgte und verfolge ich deshalb alle Tendenzen.
Gunnar
L Ich
war bereits früh in die Praxis eingebunden. Bereits vor dem Studium
habe ich an einem Wettbewerb für eine Mehrzweckhalle in
Villingen-Schwenningen mitgearbeitet, bei dem wir den dritten Preis
erzielten. Das war eine gute Grundlage. Für einen Studenten war es
nobel, während der Semesterferien Entwürfe für Wettbewerbe
mitzugestalten und dabei Geld zu verdienen. Während des 5. und 6.
Semesters habe ich mich weniger an der Uni als im Büro engagiert.
Damals stand das Großprojekt „Kulturforum“ an.
Gerhard
L Ohne
die Jungs hätte ich mich vermutlich gar nicht an diesem Wettbewerb
beteiligt. Die Gebäude auf dem Ihlenfeldareal waren verrottet und es
hat fürchterlich gestunken.
UD Gunnar,
wann sind Sie offiziell ins Berufsleben eingetreten?
Gunnar
L Nach
meinem Diplom 1998 habe ich meinen Zivildienst absolviert und
parallel im Büro gearbeitet.
UD Wann
sind Sie eingestiegen, Grischa?
Grischa
L Meine
erste Mitarbeit war Ende der 90er am Kinder- und Familienzentrum
„David-Fuchs-Haus“ in Villingen-Schwenningen. Bevor ich im
Wintersemester 2003/04 mein Diplom schrieb, verbrachte ich noch
einige Monate in Barcelona. Ich hatte während des Studiums meine
heutige Frau Marion kennengelernt, die ebenfalls Architektin ist und
in Spanien ein Aufbaustudium absolvierte. 2004 habe ich direkt hier
angefangen, ich habe nie in einem anderen Büro gearbeitet.
Gerhard
L Deshalb
ist er so gut. Grischa hat ein tolles Diplom abgeliefert und uns alle
geschlagen.
Grischa
L Das
war aber das einzige Mal.
Gerhard
L Ich
wollte den Jungs nie vorschreiben, welcher Weg für sie sinnvoll oder
weniger sinnvoll ist, sondern habe mit Spannung beobachtet, wo sie
einmal landen. In einem anderen Büro? Grischa vielleicht an der
Hochschule?
Grischa
L Bei
der damaligen Schwemme an Architekten blieb keine große Wahl. Wenn
Kollegen hundert Bewerbungen schrieben, freuten sie sich bei drei
Absagen, dass überhaupt jemand reagierte. Die Entscheidung, in den
väterlichen Betrieb zu gehen, war deshalb pragmatisch. Ich wusste,
hier werde ich nicht in die Modellwerkstatt geschickt, sondern kann
verantwortlich gestalten.
UD Wenn
der Vater mit den Söhnen arbeitet, kann das auch zu Konflikten
führen, oder?
Gunnar
L Für
mich stand immer der Wille, etwas gemeinsam zu erarbeiten und dabei
zu lernen, im Vordergrund, unabhängig, ob es sich dabei um den
eigenen Vater handelt. Gegenseitiger Respekt bildet die Grundlage.
Unterschiedliche Ansätze dürfen nicht dazu führen, dass einer den
anderen abqualifiziert.
Gerhard
L Mir
war von vornherein klar, dass eine Zusammenarbeit nicht immer einfach
verlaufen würde. Jeder möchte ein Ergebnis nach seinen
Vorstellungen sehen und das kann nicht immer identisch sein. Die
Architektursprache ändert sich im Lauf der Zeit, aber was falsch
oder richtig ist, ist zu jeder Zeit falsch oder richtig. Allein über
schön oder hässlich lässt sich streiten. Diese Verständigung lief
bei uns immer problemlos.
UD Was
war Ihr erstes gemeinsames Projekt?
Gerhard
L Das
Verwaltungsgebäude für das Landratsamt in Freiburg, für das wir
einen 1. Preis erhielten, war für mich das Schlüsselprojekt.
Grischa war noch im Studium, konnte aber mitreden und musste die
Zeichen-Knochenarbeit übernehmen. Gunnar und ich fuhren nach
Wiesbaden, wo wir ein Verwaltungsgebäude von Herzog + Partner
besichtigten, einen Skelettbau aus Stahl, Glas und Beton, sowie nach
Kronberg, wo Schneider + Schumacher die „Braun“-Hauptverwaltung
mit einer Fassade entwickelt hatten, die wie ein Kastenfenster
funktionierte und Wärmeverluste im Winter und Überhitzungen im
Sommer verhinderte. Energieeffizientes Bauen wurde in den 90ern
erstmals thematisiert und es wurde mit verschiedenen Ansätzen
experimentiert.
Gunnar
L Uns
verbindet das Interesse an innovativer Architektur. Letztendlich
haben wir für das Landratsamt in Freiburg eine eigene Lösung
gewählt.
Gerhard
L Grischa
hat bei dem Entwurf gewaltig mitgeredet. Er ist von Natur aus etwas
bockig und hartnäckig.
Gunnar
L Ich
glaube, das sind wir alle.
Gerhard
L Ja,
das sind wir.
Gunnar
L Letztendlich
geht es immer darum, den Ehrgeiz für eine optimale Lösung zu
entwickeln. Um den gemeinsamen Einsatz, die Stunden und teilweise
auch die Nächte, die wir investieren.
Grischa
L Die
Arbeit meines Vaters besaß immer eine große Qualität, weil er
jedes Projekt ergebnisoffen und mit Freude angeht. Das haben
Generationen von Mitarbeitern erlebt und hat auch mich geprägt.
Anfangs möchtest du dich freischwimmen. Als ich die Fassade für das
Landratsamt gezeichnet hatte, musste ich mir anhören: Wir sind hier
nicht in Berlin! Mit der Zeit lernst du, Dinge anzunehmen.
Mittlerweile empfinde ich es als relaxed, mit Zweien zu arbeiten, von
denen du weißt, dass es keine Idioten sind.
UD Apropos
Berlin. Seit 2006 leben und arbeiten Sie in der Hauptstadt. Wie kam
es dazu?
Grischa
L Meine
Frau Marion kommt aus Schleswig-Holstein und konnte sich nicht
vorstellen, im Schwarzwald zu leben. Wir wohnten in Karlsruhe und ich
bin täglich ins Büro nach Offenburg gefahren. Die Überlegung, sich
beruflich zu verändern, fand ihre Antwort, indem 2005 eine
Ausschreibung für eine Schule mit Internat und Schulungszentrum des
Bundesamts für Bauwesen und Raumordnung auf unserem Tisch lag.
Nachdem wir im Wettbewerb den 1. Preis erhielten, stand fest: Wir
müssen nach Berlin.
UD War
Ihnen damals klar, dass das ein Zehn-Jahres-Projekt werden würde?
Grischa
L Nein.
Baubeginn war 2006, zwei Jahre später beschloss das
Vertrauensgremium des Deutschen Bundestags, dass die Schulen des
Bundesnachrichtendienstes und des Verfassungsschutzes zusammengelegt
werden sollen. Der Entwurf wurde daraufhin angepasst, das Gebäude
2016 fertiggestellt.
UD Wie
viele Mitarbeiter haben Lehmann Architekten am Standort Berlin?
Grischa
L In
unserem Büro am Prenzlauer Berg arbeiten wir zu fünft. Für das
BND-Projekt sind über Monate Offenburger Mitarbeiter nach Berlin
gependelt. Aufgrund von Sicherheitsvorkehrungen war es nicht möglich,
neue Leute in das Projekt einzubinden.
UD Rechnet
sich ein Architekturbüro mit zwei Standorten?
Gerhard
L Wirtschaftlich
sicher nicht. Für den Input, ja. Die Berliner Architekturszene war
von jeher interessant.
UD Ein
aktuelles Beispiel?
Gerhard
L Der
1999 beschlossene Masterplan Museumsinsel unter der Federführung von
David Chipperfiled, der 2015/26 vollendet sein soll. Er begreift das
Ensemble der fünf historischen Bauten als inhaltliche Einheit und
respektiert gleichzeitig die Anatomie der Gebäude. Chipperfield ist
ein Glücksfall für Berlin.
UD Wie
stehen Sie zum Wiederaufbau des barocken Berliner Stadtschlosses, das
1950 gesprengt wurde?
Gunnar
L Wir
hätten es auch wieder aufgebaut, wenn wir den Wettbewerb gewonnen
hätten. Franco Stella, dessen Entwurf mit dem 1. Preis prämiert
wurde, hätte gar nicht zugelassen werden dürfen, da er nicht alle
Wettbewerbsbedingungen erfüllte.
Grischa
L Auf
die Frage, ob ein vernichtetes Gebäude rekonstruiert werden soll,
gibt es keine eindeutige Antwort. Die Wenigsten wissen, dass auch die
Frankfurter Paulskirche als nationales Symbol der Freiheit ein
Wiederaufbau ist. Sie wurde bei einem schweren Luftangriff im März
1944 zerstört und zum hundertsten Jubiläum der Nationalversammlung
im Mai 1948 wiedereröffnet. Deshalb gibt es von mir zum Berliner
Schloss weder ein Ja noch ein Nein. Ich stelle aber immer wieder
fest, dass die Architekten in der Hauptstadt extrem konservativ sind.
Gerhard
L Im
Vergleich zu Rom oder Paris ist Berlin eine junge Stadt, die an
historischer Bausubstanz wenig zu bieten hat. Umso mehr hängen die
Berliner an allem, was Geschichte transportiert.
Grischa
L Hinzu
kommt, dass die Fassaden privat finanziert werden.
Gerhard
L Das
Thema ist emotional besetzt. Wer Spenden sammelt, löst Begeisterung
aus, die Politik gerät unter Druck und irgendwann zahlt's der
Steuerzahler. Das war in Hamburg nicht anders. Das Projekt
Elbphilharmonie begann mit einer privaten Initiative und sollte die
Stadt 77 Millionen Euro kosten. Heute wird vom Senat eine Summe von
866 Millionen angegeben und die Hamburger sprechen nur noch über das
Ergebnis.
Grischa
L Immerhin
wurde das Gebäude im Gegensatz zum Berliner Flughafen
fertiggestellt.
UD Die
Elbphilharmonie wurde von den Basler Architekten Herzog und De Meuron
geplant, die international Erfolge feiern. Sind das die
Architekten-Stars von heute?
Gunnar
L Während
meines Studiums galt Günter Behnisch als Architektenpersönlichkeit.
Anfang der 70er hatte er Weltberühmtheit durch das Münchner
Olympiastadion erlangt, 1992 entwarf er den neuen Plenarsaal des
Deutschen Bundestags in Bonn. Später nahmen gewiss Herzog und De
Meuron oder der französische Architekt Jean Nouvel seine Rolle ein.
Für mich persönlich kann ich sagen, dass es kein berühmtes
Vorbild, sondern die tägliche Arbeit im Büro war, die mich geprägt
hat.
Grischa
L Wenn
ich mir die Bergstation Chäserrugg von Herzog und De Meuron aus dem
Jahr 2015 ansehe, entspricht die Holzkonstruktion dem
Forstausbildungszentrum „Mattenhof“, das mein Vater Ende der 70er
entworfen hat.
UD Für
das „Museum des 20. Jahrhunderts“ am Kulturforum in Berlin gingen
die Basler ebenfalls als erste Preisträger hervor. Würden Sie
Herzog und De Meuron als richtungsweisend bezeichnen?
Gunnar
L Es
gibt nicht eine Richtung. Heute ist alles möglich.
Gerhard
L Schon
Hans Scharoun hat gesagt, es wird keinen Baustil mehr geben. Die Zeit
der Baustile ist vorbei.
Gunnar
L Was
zählt, ist das Spektakuläre.
Gerhard
L Das
Spektakuläre ist das Einfache.
UD Die
aus dem Irak stammende und 2016 verstorbene Architektin Zaha Hadid
sorgte mit ihrer dekonstruktivistischen Formensprache für Aufsehen.
Spektakulär, aber gewiss nicht einfach ...
Grischa
L Hadid
hat in der freien Form Perfektion geleistet. Das bewegt, mehr aber
auch nicht und bleibt für mich ebenso banal wie Gebäude von Daniel
Libeskind.
Gerhard
L Das
ist der Bilbao-Effekt. Die Guggenheim Foundation hat einen Investor
gesucht und die Stadt, die bereit war zu investieren, hat den
Zuschlag erhalten. Das Museum von Frank O. Gehry wertet als
spektakulärer Bau den Ort auf.
Gunnar
L Diesen
künstlerischen Ansatz will ich nicht verwerfen, sofern die Skulptur
eine Funktion erfüllen kann. Allerdings bin ich der Ansicht, dass
diese Herangehensweise nicht allgemeingültig zielführend ist.
Gerhard
L Aus
meiner Sicht hält sich nur, was Solidität hat. Was macht eine Stadt
lebenswert? Ein Beweis ist das Kino in Offenburg, an dessen Zukunft
niemand geglaubt hat und das heute ein zentraler Treffpunkt inmitten
der Stadt ist.
UD Was
waren für jeden von Ihnen persönlich die wichtigsten Projekte?
Grischa
L Das
Gebäude für BND und Verfassungsschutz. Es war das erste Projekt,
das ich selbständig von Berlin aus geleitet habe. Ich war Anfang 30,
unbekannt und die Stadt ein Haifischbecken.
Gunnar
L Die
Verantwortlichkeit für Projekte der öffentlichen Hand wie die
Gewerblichen Schulen in Offenburg oder das Amtsgericht in Günzburg
und andererseits für Direktaufträge privater Bauträger wie das
„Kesselhaus“ in Offenburg, für das ich die Generalplanung
übernommen habe.
Gerhard
L Der
„Mattenhof“, die Haupt- und Realschule in Gengenbach, die heute
ebenso wie die Grundschule in Weier komplett verstümmelt ist. Das
„Kulturforum“ war sicherlich eine Herausforderung. Grundsätzlich
gilt, dass sich die Anforderungen im Lauf dieser fünfzig Jahre
verändert haben. Früher konntest du die Form eines Treppengeländers
selbst bestimmen, heute übernimmt das der Statiker.
Gunnar
L …
und die Unfallversicherung.
Gerhard
L Reglementierungen
verhindern vieles.
Gunnar
L Transparentes
Bauen wie ein Günter Behnisch es umsetzte, ist aufgrund des
Anspruchs auf Energieeffizienz heute nicht mehr möglich.
Bauphysikalische Überlegungen spielen ebenso eine Rolle wie die
Wartung von Gebäuden.
Grischa
L Wenn
man einen filigranen Ansatz hat, wird es schwierig. Allerdings
empfinde ich die Nachhaltigkeitsdiskussion als spannend. Was kann ich
heute bauen, ohne dass künftige Generationen ironisch Danke sagen?
Und der ökonomische Aspekt spielt natürlich auch eine Rolle.
Konservatives Mauerwerk ist nach wie vor die günstigste Lösung.
Wenn für die Fassade kein Geld mehr vorhanden ist, kommt Styropor
darauf und wird verputzt.
UD Wenn
Geld und Gesetzesvorgaben keine Rolle spielten – was würden Sie
bauen?
Grischa
L Mein
Traum war immer ein Hochhaus in Berlin.
Gerhard
L Und
jedes Stockwerk sieht gleich aus.
Grischa
L Ein
Turm? Oder ein Sakralbau? Oder eine Berghütte?
Gunnar
L Sich
selbst einen Ort schaffen, in einer Landschaft.
Grischa
L Ein
„Fallingwater“, wie es Frank Lloyd Wright in den 1930ern im Tal
des Youghiogheny River gebaut hat. Wenn man so ein Grundstück hätte
…
Gunnar
L Ein
Projekt, bei dem man sich voll und ganz auf die Sache konzentrieren
könnte, als ob man Architektur nicht als Beruf, sondern als Hobby
betriebe.
Grischa
L Andererseits
schätze ich es sehr, dass Bauen im Bestand eine so zentrale Rolle in
unserem Büro spielt. Ich empfinde es als dankbar, auf etwas Bezug
nehmen zu können. Unsere Aufgabe ist es, das Wesentliche an einem
bestehenden Gebäude zu erkennen und mit diesen Clustern zu arbeiten.
So kann zum Beispiel eine barocke Fassade aktuell wirken, ohne ihre
typische Anmutung zu verlieren. Für mich geht es nicht um die
Zuordnung einer bestimmten Zeit, sondern um das Spüren von
Zeitlosigkeit.
Gunnar
L Wenn
man auf diese Vielzahl unterschiedlichster Projekte in 50 Jahren
zurückblicken kann, weiß man, worauf man sich einlässt. Bei jedem
neuen Projekt stellt sich die Frage nach der angemessenen Antwort.
Und jede Herausforderung nehmen wir mit Freude an.
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